Der Südtiroler und was er sich selbst – oder manch anderer ihm – so nachsagt
Zunächst einmal sei gesagt „Den Südtiroler“ gibt es nicht. Von Tal zu Tal, ja von Dorf zu Dorf, nicht selten gar von Haus zu Haus gibt es himmelweite Unterschiede zwischen den einzelnen Bewohnern des Alpen- und Dolomiten-Landes – die Unterschiede zwischen den deutschsprachigen Südtirolern und ihren italienischen Nachbarn mal nicht mit eingerechnet.
Der Pusterer zum Beispiel gilt gemeinhin als leutselig und überaus selbstbewusst. Dazu gehört auch, dass dort, wo mal nicht alles passt, gern ein bisschen was hinzu gegeben wird. Dem Schein kommt im Pustertal eine recht große Bedeutung zu, nicht selten wird der Pusterer daher auch als Ploderer – als Großtuer – bezeichnet.
Der Eisacktaler hingegen – hinsichtlich der Kilometer vom Pusterer nicht weit entfernt – wird als verschlossen und misstrauisch beschrieben. Die meiste Zeit macht er sich seine Gedanken, was denn die Leute zu diesem und jenem sagen könnten, und schaut, dass das, was das seine ist, auch das seine bleibt. Unterschiede zeigen sich im Eisacktal vor allem hinsichtlich der Dominanz: Wo in Latzfons die Frauen das Sagen haben, brüstet sich Villanders seiner Männlichkeit und hat – so sagt man zumindest – eine Vielzahl an waschechten Machos hervorgebracht.
Dem Grödner hingegen wird Überheblichkeit und besondere Geschäftstüchtigkeit – nicht selten auch mit einem negativen Beigeschmack – nachgesagt. Obwohl kunstfertig in der Holzschnitzerei, gilt er als völlig frei von gutem Geschmack, was die Bekleidung und weite Teile der Kunst betrifft.
Dem Vinschger wird nicht selten sein „untirolerisches“ Wesen vorgehalten. Individualistisch soll er sein, unberechenbar und alles andere als verlässlich. Aber kreativ. Und hartnäckig, vor allem, wenn es darum geht, für den Vinschgau um Subventionen des Landes anzusuchen.
Die Sarner wiederum gelten als klug, die Bozner als geizig und rücksichtslos, während tiefer in Südtirols Süden und noch weiter südlich im Unterland eines allen Menschen gemeinsam ist: alles „Walsche“ erweckt ihr Mißtrauen. Die Unterlandler sind überhaupt – obschon sie im Südtirol weiten Vergleich wohl den meisten Kontakt zum Italienischen haben – die überzeugtesten „Deutschen“ des Landes. Im Kleinen findet sich hier westlich der Etsch ein ausgezeichnetes Beispiel für stark unterschiedliche Charakterausprägungen auf engstem Raum: So ausgeglichen und friedlich der Traminer ist, so laut und streitsüchtig soll der Kurtatscher sein. Dabei wohnen beide gerade einen Steinwurf voneinander entfernt.
Quelle: Florian Kronbichler, seines Zeichens Südtiroler – genauer gesagt Pusterer –, sei aufrichtig gedankt für seinen pointierten und anregenden Artikel „Manderleut, Weiberleut und Individualisten. Lauter wahre Vorurteile über die Südtiroler“.